HABT IHR DAS MITGEKRIEGT?

Habt ihr das mitgekriegt? 
Das Haus ist verkauft! 
Was noch alles?


Ich habe grade keine Lust mehr, über Discounter zu reden oder
über Auto- Stellplätze oder Kreativwirtschaft.
Und auch nicht über Gentrifizierung.

Ich kann mich diese Worte schon selbst nicht mehr sagen hören.

Unser Haus ist verkauft worden.

Darum möchte ich Euch bitten, wenn ihr mit den Plänen der neuen Besitzer nicht einverstanden seid - wendet euch an sie!

Aber nur, wenn ihr keinen Gewerbemietvertrag habt-
sonst sehen sie für eine weitere Zusammenarbeit mit euch leider keine Zukunft mehr und schmeißen euch raus - so wie das Tschau tschüssi!

Unser Haus ist verkauft worden - was noch?

Aber wenn ihr Privatmieter seid und etwas an den Plänen der neuen Vermieter auszusetzen habt -
ihr könnt jederzeit auf sie zugehen,

aber sprecht darüber lieber nicht mit den Gewerbemietern - nicht, dass die mit eurer Kritik in Verbindung gebracht werden.

Und achtet darauf, dass eure Forderungen auf jeden Fall vernünftig sind - merkt ihr was?

Unsere Urteilskraft schwindet, wir fühlen uns plötzlich so unscharf!
Machen wir das selber aus uns oder wird das aus uns gemacht?

Unser Haus ist verkauft, was noch alles?

Das waren noch Zeiten vor drei Monaten, als sich jeder noch über die LWB aufregen konnte, soviel er wollte. Jetzt weht hier ein anderer Wind.
Jetzt achtet man darauf, was man sagt.

Da hat sich grundlegend was verändert: Da ist jetzt jemand, den man lieber nicht verärgert.
Da kriegt man ein schlechtes Gewissen, weil man andere vielleicht mit seiner Unzufriedenheit
angesteckt oder zu unüberlegten Handlungen verleitet hat.

Kommen uns solche Zustände nicht bekannt vor? Aus der Schule vielleicht?
Oder aus einem vergangenen Gesellschaftssystem?

Was ist außer dem Haus noch verkauft worden?

Aus einem Vorgeschmack von Selbstbestimmung in unserem Viertel ist ein Eiertanz geworden.
Aus freundlichen, wenn auch manchmal etwas durchgeknallten Nachbarn werden „vernünftige Mieter“.
Was für ein Verlust!

(Die Vernünftigsten schauen sich allerdings schon woanders nach Wohnungen um.)

Ich will euch mal was sagen: Wir wissen, dass eine Stadt nicht nur aus Immobilien besteht!

Wir wissen, dass ein Mietshaus kein Unternehmen ist, und die Mieter nicht die Angestellten
des Vermieters sind!

Wir müssen nicht alles richtig finden, was rechtlich erlaubt ist!

Und wir dürfen fordern, was wir wollen!
Wir müssen uns nicht erzählen lassen, wie die Realität funktioniert,
denn schließlich leben wir in ihr, oder nicht?

Ich danke den neuen Besitzern für die Renovierung von Dach und Fassade
und Euch für die Aufmerksamkeit!

Paule Hammer, Rede beim Hoffest am 30. Oktober 2011